Die Orgel der Herz-Jesu Kirche Luxemburg-Bahnhof 1938 1998

Patrick Colombo

Vorderansicht der Orgel von Haupt

Der Orgelbauer „Haupt" zur Zeit der Entstehung der Orgel

Die Orgel der Herz-Jesu Kirche Luxemburg-Bahnhof wurde im Jahre 1938 gebaut, zu einer Zeit, da die „Manufacture d'Orgues Georges Haupt" aus Lintgen in ihrer vollsten Blüte stand und ihre schönsten und klangvollsten Instrumente errichtete. Unsere Orgel reiht sich somit ein in eine stattliche Anzahl von dreimanualigen Instrumenten ungefähr gleicher Größe, wie Esch St. Joseph (1932, 51 Register), Arlon St. Martin (1933, 51 Register), Anderlecht St. Pierre et Guidon (1935, 45 Register), Molenbeek St.Jean Baptiste (1935, 42 Register), Ixelles Ste. Trinité (1938, 52 Register) und der viermanualigen Kathedralorgel von Luxemburg (1936, 84 resp. 108 Register). Es mag auch noch andere große Orgeln der Firma Haupt geben, oder gegeben haben, die mir nicht bekannt sind. Die Orgel der Herz-Jesu Kirche in Esch-Alzette besitzt zwar einen monumentalen Spieltisch, das Werk selbst hat aber nur 34 Register (1935 und 1947, drei Manuale). Der Montagebeginn unserer Orgel war am 16.8.1938, die Einweihung des neuen Instrumentes fand am 27.November desselben Jahres statt. Somit war unsere Orgel das zweitletzte große Instrument, das die Firma Haupt in Luxemburg vor dem Zweiten Weltkrieg baute, es folgte nur noch 1939/1940 die vergrößerte Orgel der Basilika Echternach (3 Manuale, 53 Register). Vergleiche mit diesem Instrument vermag ich nicht zu ziehen, da die Orgel gegen Ende des Krieges total zerstört wurde. Im Vergleich mit anderen großen Haupt-Orgeln der dreissiger Jahre, die noch bestehen, fallen mir verschiedene Punkte auf : Alle anderen Orgeln haben eine elektro-pneumatische Traktur mit wesentlich längeren pneumatischen Sektionen als unsere, sogar die Kathedralorgel hatte vor dem Umbau im Jahre 1986 sehr viele pneumatische Relais in ihrem Innern, während unser Instrument kaum pneumatische Leitungen besitzt, auch nicht für die Prospektpfeifen. Die Steuerung der Ventile geschieht also weitgehendst elektrisch, dies bringt eine größere Präzision beim Spiel und ist auch weniger pannenanfällig. Die elektrische Arbeit besorgen in unserer Orgel Ankermagnete, während in allen anderen besichtigten Instrumenten Dopf-Magnete arbeiten. Die Registersteuerung erfolgt in allen Orgeln über Reissner-Magnete, ebenso die Steuerung der Schwellwerke (jeweils 5 Reissner-Magnete, die einen Faltenbalg mit 5 Falten öffnen und schließen).

Die Manuale

Die Aufteilung der Manuale ist überall die gleiche :

Die Zahl der Tasten pro Manual ist aber nicht immer die gleiche. Meistens hat Haupt seine größeren Orgeln mit Manualen von 61 Tasten (5 Oktaven) und ausgebauten Superkoppeln (also 73 Töne) ausgestattet, dazu öfters ein Pedal von 32 Tönen,während unsere Orgel leider nur einen Manualumfang von 56 Tasten (4 1/2 Oktaven) und Pedalumfang von 30 Tönen besitzt. Die Superkoppeln sind aber auch in unserem Instrument ausgebaut (68 Töne).

Die Windanlage

Die Motoren sind allesamt von der Firma Meidinger aus Basel, unser Motor hat eine Leistung von 3,6 PS; die Niederstromanlage erhält ihren Strom (12 V) über einen an den Motor angeschlossenen Dynamo, der in unserer Orgel 1983 ausfiel und durch einen Gleichrichter ersetzt wurde. Die Windanlage ist jedoch nicht überall die gleiche : während in der Herz-Jesu Kirche Luxemburg ein großer Doppelfaltenbalg gleich hinter dem Schaufelgebläse zusammen mit kleinen Einzelfaltenbälgen (1 pro Manual) arbeitet, sind in den anderen Instrumenten kleinere Hauptmagazinbälge zusammen mit mehreren kleineren Doppelfaltenbälgen zu finden. Dies mag dadurch zu erklären sein, daß unsere Orgel aus einem Ganzen besteht, die anderen Instrumente aber (bedingt durch die Gegebenheiten der Kirche und der Empore) in zwei Teilen aufgestellt sind. Die Kathedral-Orgel von Luxemburg hat aber das gleiche System wie unser Orgelwerk in der Herz-Jesu Kirche. In Molenbeek besitzt die Orgel auch noch einen mechanischen Schöpfbalg, obwohl dieses System wenig Sinn hat, bei einer Orgel deren zwei Teile zehn Meter voneinander entfernt sind, und mit elektrischer Traktur versehen ist.

Der Spieltisch

Die Spieltische der Haupt-Orgeln sind nicht in Lintgen gebaut worden, sondern stammen aller Wahrscheinlichkeit nach aus Deutschland. Anzeichen hierfür sind u.a., daß die Kontakte der Registerwippen in unserem Spieltisch von der Firma Eisenschmidt aus München stammen (da ich die anderen Spieltische nicht auseinanderbauen konnte, ist es mir nicht möglich anzugeben, von welcher Firma die dortigen Kontakte stammen); verschiedene Hinweisschilder in Deutsch, sowie die Registerwippen in Ixelles, die jenen der Firma Kemper aus Lübeck ähnlich sehen.

Die Spieltische scheinen alle von derselben Firma zu stammen, auch wenn man eine grobe Einteilung in drei Gruppen vornehmen kann:

  1. Esch St. Joseph, Arlon St. Martin, Anderlecht St. Pierre et Guidon und (mit Einschränkungen) Molenbeek St. Jean Baptiste, hier findet man Spieltische aus massivem Holz teilweise auch mit geschnitzten Verzierungen geschmückt. Die Registerwippen sind aus Hartzelluloid, von rechteckiger Form und mit zwei-einhalb Zentimeter großen Porzellanschildchen auf denen die Namen der Register eingeschrieben sind. Die Farbcodes sind meistens die gleichen : Weiß für Grand-Orgue, Rosa für Positif, Blau für Récit und Gelb für Pedal. Die Koppeln sind grundsätzlich zweifarbig.
  2. Ixelles Ste. Trinité, dieser Spieltisch ist sehr verschieden von den anderen, obwohl die Klaviaturbacken die gleichen sind. Es ist ein sehr schönes Möbel, aus dunkelrotem Holz, auch die Registerwippen sind aus Holz, ocker-orange lackiert, aber hier findet man keine Farbcodes.
  3. Kathedrale Luxemburg und Herz-Jesu Luxemburg-Bahnhof. Äusserlich sind diese Spieltische schlichter, ohne jegliche Verzierungen, doch ist innen ebenfalls edles Holz verwendet worden. Die Registerwippen sind aus Hartzelluloid, an den Enden abgerundet und kleiner als in dem Spieltisch-Typus Nr 1.

Auch die Porzellanschildchen mit den Registernamen sind kleiner. In diesem Spieltisch besitzen nicht nur die Manuale Farbcodes, sondern auch die freien Kombinationen (resp. Setzerkombinationen in der Kathedrale, die über kleine Registerzüge in Schub-laden rechts und links im Spieltisch eingestellt wurden. Das System ist nicht zu verwechseln mit den heute üblichen Setzerkombinationen elektronischer Art, die frei einstellbar sind. Das Setzersystem in der Kathedrale wurde auch 1986 gegen ein elektronisches ausgetauscht.) Diese Spieltische besitzen im Gegensatz zu den früheren Modellen nur noch Fußschalter vom Typ „Piston", d.h. Schalter von der Form eines Pilzes, der unmittelbar einen elektrischen Kontakt betätigt, während in den älteren Modellen metallische Tritte zu finden sind, die nach der Seite eingehakt werden müssen. Viele dieser Orgeln haben oder hatten einen zweiten, einmanualigen Spieltisch, der nur die Pfeifen des zweiten Manuals erklingen läßt, oft mit rein pneuma-tischer Traktur. Nun aber zu dem Wesentlichsten einer Orgel, nämlichen den Pfeifen, denn ohne sie würde die Orgel keinen Ton erklingen lassen.

Disposition

I Hauptwerk C-g´´´ II Positiv (Schwellwerk)
Principal 16´ Quintatön 16´
Bordun 16´ Principal amabile
Principal Rohrgedackt
Flaut Major Dolce
Fugara Nachthorn
Gedackt Quinte 22/3´
Dulciana ´Piccolo
Prestant Terz 13/5´
Rohrflöte Larigot 11/3´
Gemshornquinte 22/3´ Septime 11/7´
Bachflöte Fernmixtur 3fach
Mixtur 4-5fach Vox humana
Cornettino 2-3fach Clarinette
Bombarde 16´ Tremulant
Trompete
Clarine
III Récit (Schwellwerk) Pedal C-f´
Bordun 16´ Principalbaß 16´
Principal Violonbaß 16´
Offenflöte Subbaß 16´
Gamba Bordun (Tr III) 16´
Vox coelestis Quinte 102/3´
Salicional Octavbaß
Flûte céleste * Cello
Octav Großgedackt
Octavflöte Flöte (Tr III)
Blockflöte Prestant
Larigot 22/3´ Mixtur 3 fach
Cornet 3-4fach Bombarde 32´*
Rankett 16´ Bombarde (ext. vom 32´) 16´*
Trompette harmonique Posaune 16´
Oboe (franz. Bauart) Trompete
Cor anglais Clairon
Auxiliarwerk*
Tuba (Hochdruck)
French Horn
Auxiliar zu I, II, III und Pedal schaltbar mit Super- und Subkoppeln des jeweiligen Manuals
Super- und Subkoppeln II und III zu allen anderen Werken und zu sich selbst
Neu: Setzerkombinationen (1024) in Gruppen schaltbar
* neu (1998)
der Spieltisch

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wollte ich jetzt die einzelnen Register erklären, der interessierte Leser möge sich in einer Buchhandlung oder Bibliothek ein Buch über Orgelbau der romantischen Epoche besorgen und darin die nötigen Erklärungen finden.

Vergleicht man nun diese Disposition mit jener anderer Haupt-Orgeln mit drei Manualen, so stellt man wohl viele Übereinstimmungen, aber auch interessante Unterschiede fest. Es handelt sich bei diesen Orgeln um etwas ganz Besonderes : hier sind Labialregister aus der deutsch-romantischen Tradition zusammen mit Registern der Orgelbewegung und hauptsächlich Zungenregistern französischer Bauart kombiniert. Entgegen einer oft gehörten Aussage, die Pfeifenorgeln zwischen 1880 und 1940 seien pure Serienware, ist es nicht so, daß in diesem Zeitraum Orgeln mit gleicher Disposition, etwa wie Fernseher oder Waschmaschinen gebaut wurden, nein, denn obwohl damals die Orgeln eher in großen Fabriken hergestellt wurden (heute wieder mehr in kleinen Handwerksbetrieben), hatten sie doch eine Persönlichkeit, eine eigene Disposition und eine künstlerische Intonation.

Haben andere Orgelbauer die Orgel mitgestaltet?

Es gibt Zeichen dafür, daß neben den Spieltischen wesentliche Teile der Haupt-Orgeln nicht in Lintgen gebaut wurden, sondern aus Deutschland kamen (mit großer Wahrscheinlichkeit von der Mutterfirma Stahlhuth aus Aachen, die entsprechende Kapazitäten besaß) und in Lintgen nur die Endmontage erfolgte. Jedenfalls hält sich diese Aussage hartnäckig u.a. in Arlon. Wenn man dann weiß, daß die Montage und Einweihung der Orgeln von Herz-Jesu Luxemburg und Ste. Trinité Ixelles praktisch zu derselben Zeit erfolgte, dann ist es schwer vorstellbar, daß ein doch kleiner Betrieb wie Haupt aus Lintgen diese Riesenarbeit ganz allein bewältigte. Da mag Stahlhuth schon mitgeholfen haben, was der Qualität der Instrumente aber sicher keinen Abbruch tat.

Das erste Instrument in dieser Größenordnung, das Haupt (hier unter Verwendung alten Materials) erstellte, war die Orgel der St. Josephskirche in Esch-Alzette im Jahre 1932. Das Instrument war mit der damals revolutionären elektrischen Traktur ausgestattet, im Gegensatz zur noch landesweit üblichen pneumatischen Traktur.

Die Orgel besteht heute nicht mehr in dieser Form.

Die Orgel der St. Martinuskirche in Arlon

1933 folgte dann die Orgel der St. Martinuskirche in Arlon, das Instrument ist noch erhalten und spielbar, jedoch in einem schlechten Zustand, wie leider so viele Orgeln in Belgien. 1935 erhielten dann St. Pierre et Guidon,Anderlecht und St. Jean Baptiste,Molenbeek ihre Haupt-Orgeln und 1938 Ste. Trinité, Ixelles. Alle diese Instrumente sind wie bereits geschrieben, zweiteilig aufgestellt und haben auch erheblich weniger Platz in ihrem Innern als unsere Orgel, d.h. Haupt sah sich gezwungen, viel enger zu bauen, und auch eher die Teilwerke übereinander zu setzen, dies meistens um ein großes Fenster an der Rückseite der Kirche offenzulassen.

Was die Dispositionen der Register anbetrifft, so ist übereinstimmend festzustellen, daß immer ein Prinzipalregister 16', sowohl im ersten Manual als auch im Pedal vorhanden ist, verschiedene der Orgeln auch ein zweites 16' Labialregister im ersten Manual aufweisen, nämlich ein Bourdon 16'. Alle Instrumente haben eine Vox humana in ihrer Disposition, meist im dritten Manual vorzufinden, nach bester Tradition der französischen Orgelbauer der Romantik, in unserer Orgel und in dem Arloner Instrument jedoch im zweiten Manual disponiert. Das Register, das in einem doppelten Schwellkasten steht, kann so getrennt zum Register Voix céleste im dritten Manual gespielt werden.

Anmerkungen zur Disposition

Pheifen und Schwellwerk im HintergrundNeben der „Voix céleste", einer Streicher-Schwebung haben die Orgeln von Esch St. Joseph, Anderlecht und Ixelles noch eine zweite Schwebung, die „Unda maris" im 2. Manual, an dieser Stelle steht in unserer Orgel nur ein Register namens „Dolce".

Der Orgelbauer Haupt scheint keine große Vorliebe für ein großes französisches Récit mit Zungenbatterie 16',8',4' gehabt zu haben, im Gegensatz zu Aristide Cavaillé-Coll, der manchmal überhaupt keine Zunge ins Hauptwerk setzte und die geballte Kraft ins Schwellwerk pflanzte. Bei Haupt findet man meistens diese-; drei Zungen der Trompetenfamilie im Hauptwerk unter den Namen „Bombarde 16' ", „Trompette 8' " und „Clairon 4' ", im Récit aber nur in 8' Lage, unter dem Namen „Trompette harmonique", mit doppelt langen Bechern,aber erst ab c''. Die Ausnahme von der Regel ist Ixelles, wo im Hauptwerk nur 8' und 4' Zungen stehen, das dritte Manual Récit expressif aber die ganze Batterie 16', 8', 4' beherbergt.

In allen Orgeln der Firma Haupt ist im Récit wenigstens ein Charakterzungenregister disponiert, so in unserer Orgel „Cor Anglais 4' ", in Arlon „Dulciane 8' ", in Molenbeek „Cor harmonique 4' ", von ähnlicher Konstruktion wie die deutsche Oboe, aber mit doppelt langen Bechern, und dann findet man in manchen Dispositionen noch das Register „Rankett 16' ", im zweiten Manual in der Kathedrale und in Esch St. Joseph, in unserer Orgel und in Molenbeek aber im dritten Manual. Da dieses Register zu den kurzbechrigen Zungen mit einem leisen und schnarrenden Klang gehört, passt es eigentlich nicht in die Disposition eines symphonischfranzösisch ausgerichteten Schwellwerks,denn das Register ist eine Wiederentdeckung der Orgelbewegung aus Deutschland und dem Elsaß und passt klanglich eher zur Vox humana und zum Regal. Da es aber aus denkmalschützerischer Sicht verwerflich wäre, unsere Orgel, die integral erhalten geblieben ist, nach 60 Jahren zu verändern, wird das Register im dritten Manual belassen. Auch die Bachflöte 2' im ersten Manual, mit gedeckten Pfeifen von C-c' ist ein Kind der Orgelbewegung. Das Register findet man auch in der Orgel von St. Martin, Arlon.

Das Register Clarinette oder das ihr verwandte Register Krummhorn findet man in nahezu jedem Instrument von Haupt, doch ist diese Zunge in unserer Orgel interessanterweise durchaus nicht französisch gebaut, mit kräftigem, blökenden Ton, sondern nach der deutschen Bauart und demnach viel sanfter und mischfähiger.

Sehr ungewöhnlich ist die Tatsache, daß sich in unserer Orgel im Hauptwerk unter dem Namen „Clarine 4' " ein kräftig intoniertes Krummhorn französischer Bauart verbirgt, während in allen andern Instrumenten effektiv unter diesem Namen ein Trompetenregister in 4' Lage zu hören ist. Sollte Haupt etwa kein Clairon mehr auf Lager gehabt haben?

Ungewöhnlich ist auch, daß sich in den Orgeln der Firma Haupt fast immer die weiter mensurierte 16' Zunge im Hauptwerk befindet und die Pedalzunge in 16' Lage etwas enger mensuriert ist. Logischer wäre das Gegenteil allenfalls, sollte doch gerade die Pedalzunge 16' das Fundament im fortissimo-Spiel bilden. Haupt hat, soviel ich weiß, niemals ein labiales 32' Register gebaut, aber in fast jeder seiner dreimanualigen Orgeln findet man das Register „Quinte 10 2/3' " vor, das zusammen mit einem 16' Register einen akustischen 32' ergibt. Die Mixturen sind durchwegs in mittlerer Lage zu finden, sie erhalten ihre Helligkeit meist durch den Einsatz der Superkoppel. Diese Register haben in der Haupt-Orgel eine ganz andere Funktion zu erfüllen als in der Barock-Orgel, sie spielen hier eher die Rolle hoher Streicher im Orchester, und haben oft so einen fast ätherischen Klang, besonders in hoher Lage. Warum die Firma Haupt in allen andern Orgeln die tiefen Lagen der 16' Labialregister zwecks besserer Ansprache und sichererem Ton mit Rollbärten versah, nur in unserer Orgel nicht (ausgenommen den Violonbaß 16', der ohne solche Hilfsmittel auch überhaupt nicht zu intonieren wäre), wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.

Die Mensuren

Was die Mensuren allgemein anbetrifft, so fällt auf, daß die Orgeln aus der ersten Hälfte der dreissiger Jahre eher weitere Mensuren haben als die späteren Instrumente. So sind die Mensuren der meisten Register in Ixelles jenen in unserer Orgel ähnlich, d.h. viel enger als z.B. die Mensuren derselben Register in der Orgel von Arlon oder Anderlecht. So kommt es, daß die Orgel in Arlon zwar beinahe die gleiche Disposition hat als unsere Orgel, aber ganz anders klingt, und dies nicht nur weil das Instrument frei im Raum steht, unsere Orgel aber im Turmgemach eingeschlossen ist, sondern wegen des Unterschieds im Klang der einzelnen Register. So sind z.B. unsere Prinzipalregister ziemlich streichend intoniert, die Arloner Prinzipalregister haben aber aufgrund der weiteren Mensuren einen eher flötigen und auch massiveren Klang. Dasselbe gilt für die Zungenregister, die viel mehr Grundton enthalten als in unserer Orgel. Uebrigens steht in Anderlecht eine 16' Bombarde mit Posthornkropf, die fast 30 cm Durchmesser hat. Unsere Posaune 16' im Pedal kommt da gerade mal auf 16 cm.

Die allgemein engeren Mensuren, die klangmäßig durchaus ihren Reiz haben, man sollte das nicht missverstehen, haben jedoch einen Nachteil, im Zusammenspiel mit der ungünstigen Plazierung unserer Orgel ist es so, daß bei gutbesetzter Kirche an hohen Festtagen das „Fortissimo" unten im Kirchenschiff gerade noch als ein „Mezzoforte" ankommt. Die Kathedralorgel von Luxemburg mag dies durch ihre höhere Registerzahl und die Superkoppel im ersten Manual ausgleichen, in unserer Kirche sieht der Organist sich in dem Fall vor größere Probleme gestellt. Doch wird dem bei der jetzt erfolgenden Restauration abgeholfen. Ohne daß etwas an der Original-disposition geändert würde, und ohne den doch einmalig schönen Klang verschiedener Register zu zerstören, wird versucht werden, einerseits durch Entfernen des sich angesammelten Schmutzes die alte Frische des Klanges wieder herzustellen, und andrerseits durch eine behutsame Neuintonantion einzelne Register lautstärkenmäßig etwas anzuheben.

Im Jahre 1998 durchgeführte Erweiterungen

Allerdings wird das Orgelwerk um einige Register erweitert, die neben den alten Registern auf neuen Windladen aufgestellt werden. Hinzukommen wird im Pedal eine Bombarde 32', in der Kathedralorgel schon seit 1936 enthalten und von hervorragender Wirkung, dieses Register wird nun auch in unserer Orgel das Bassfundament in Fortissimo-Passagen bedeutend verstärken, zumal das Register in englischer Bauart ausgeführt wird und auf hohen Druck zu stehen kommt. Um den Umstand der engen Mensur der Pedalposaune 16' auszugleichen, wird die 32' Bombarde auch als 16' spielbar sein. An Manualregistern werden hinzukommen eine „Flûte céleste", als zweite Schwebung neben der „Voix céleste", ein „French Horn 8' ", eine Zunge, die den Klang der Horns im Orchester nachahmt und zwei Aliquotregister, nämlich „Quinte 1 1/3' ", und „Septime 1 1/7' ", Flötenregister, die die Farbpalette des Klangs erweitern.

Die letzte Erweiterung ist ein Solo-Register, das imstande ist, im Tutti den Rest der Orgel zu übertönen. Die „Tuba mirabilis" kommt aus England und ist dort in fast jeder größeren Orgel anzutreffen. Ihr Klang ist ungefähr mit dem der Zugposaune im Orchester zu vergleichen, d.h. rund, nicht scharf, aber durchdringend. Alle diese Erweiterungen zielen darauf ab, die Orgel musikalisch vielseitiger zu machen, dies ohne ihre Originalsubstanz anzutasten.

Da zwei freie Kombinationen für ein solches Werk nicht ausreichen, heute die Elektronik hier aber viel mehr Möglichkeiten bietet als das elektrische System vor 60 Jahren, wird der Spieltisch mit einer Setzeranlage ausgestattet, die es dem Organisten erlaubt, mehrere Hundert Registrierungen im voraus einzuspeichern und bei Bedarf abzurufen.

Diese Arbeiten werden alle von der Firma Romanus Seifert und Sohn GmbH & Co. aus Kevelaer ausgeführt. Es ist dies eine Firma die große Fachkenntnis auf dem Gebiet der romantischen Orgel besitzt und sicher alles unternimmt, damit ihre Arbeit vollste Zufriedenheit erntet. So möge unsere Orgel, die vor 60 Jahren von der Firma Haupt aus Lintgen mit Sorgfalt geschaffen wurde, dank der Arbeit der Firma Seifert aus Kevelaer die nächsten sechzig Jahre ihren Dienst Sonntag für Sonntag verrichten, zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Menschen.