(alte Version)

 

eihe und Stimmung eines Kirchenraumes hängen wesentlich von der Glasmalerei ab. Das Glasfenster vermag durch das Schimmern und Spielen des farbigen Lichtes dem Innenraum eine Wirkung zu verleihen, die einen mystischen, fast überirdischen Klang hat.
Den Stärksten Eindruck von dem, was die Glasmalerei für den Raum zu bedeuten hat, erhält man in Chartres, im Anblick der etwa 200 Glasfenstern, die als kostbarster Schmuck der Kathedrale im dreizehnten Jahrhundert angefertigt wurden und beinahe unversehrt in unsere Zeit herüber gekommen sind. Man kann von diesen Wunderwerken der Glasmalkunst sagen, daß ihnen keine andern Glasfenstern der Welt gleichen: so einzigartig tief und einmalig groß ist hier das Wesen der Glasmalerei erfaßt und dargestellt worden.
        Im innern Raum sehen wir geblendet erst nur Dunkel und Schatten. Wir stehen wie in dunkeln Schächten. Aber dann belebt sich die Dämmerung, das gedämpfte Licht beginnt in tausend Brechungen durch den geheimnisvollen Raum zu spielen. Nie gesehenen Farben leuchten auf, wie feierlicher Orgelton erfülen sie den hehren Gottesraum.Bald steigt ein purpurnes Rot aus dem Farbenchor auf, bald geht ein leuchtendes Grün wie der Gruß des ewigen Frühlings aus einem Teppich von Blumen hervor, bald flammt und glüht es irgendwo wie der brennende Dornbusch Mosis. Im ganzen ist es aber ein unvergleichliches Blau, das in breiten Strömen niederquillt und den Raum wie mit sanftem Mondschein erfüllt. Eigentümlich: der bleibende Eindruck nach dem Verlassen des Domes ist blau, obschon auch andere Farben, wie Rot, Grün, Gelb und Weiß vertreten sind.
        An den Inhalt der Fenster, an das Gegenständliche denkt man anfangs nicht. Man sieht nur Farben. Allmählich enthüllt sich uns auch der Sinn, die bildhafte Darstellung. Aus den durchleuchteten Farbflecken, aus den mystischen Linienkompositionen entwirren sich für unser Auge nach und nach die Gestalten und Bilder.
        Diese Eigenart der älteren Glasfenster ergibt sich aus der ursprü:nglichen Technik der Glasmalerei.

ie älteste Mitteilung über die Technik dieser Kunst verdanken wir dem Mönch Theophilus aus dem 12. Jahrhundert; er nennt damals schon die Franzosen als in dieser Kunst besonders bewandert - Franci in hoc opere peritissimi.
Der Glasmaler der Ursprungszeit formte seine Gesichte, wie jede echte Künstler, aus dem Material. Das Material ist Glas und Blei. Das Glasfenster ensteht dadurch, daß der Glasmaler die in der Masse gefärbten Glasstücke als transparente Farbenflecke harmonisch auf der Fläche verteilt und die einzelnen Stücke durch dunkle Bleiruten oder Bleisprossen zusammenfügt. Dem Material und der Technick nach ist demnach das Glasfenster ein Gefüge aus durchleuchteten Glasscherben und schwarzen Bleiruten, mit einem Wort: ein Glasteppich. Seiner praktischen Aufgabe nach ist es Raumabschluß, ein Teil der Wand, allerdings Glaswand, ein farbiger, lichtdurchlässiger Raumabschluß. Aber daraus ergibt sich notwendigerweise sein flächenhafter Character: als ein Teil der Wand ist es Fläche, ein flächenhafter Glasteppich.







amit wäre das Wesen der Glasmalerei in allgemeinen bestimmt. Nur muß ein Ausdruck, der in letzter Zeit öfters gebraucht wird: das Glasfenster sei ein Glasmosaik, mit Vorsicht aufgenommen werden. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß von Anfang an dem Glasmaler außer Glas und Blei auch noch eine Makfarbe zur verfügung stand: das sogennante Schwarzlot. Die Umrisse im großen mußte die Verbleihung hergeben, aber die feinern Umrißlinien, wie die genaue Zeichnung der Augen, des Mundes, der Hände wurden mit Schwarzlot auf das Glas aufgetragen und dann im Muffelofen dem Glas unzerstörter eingebrannt. Damit rückt die Technik des Glasfensters wieder ab von der Technik des Mosaikes, das aus farbigen Stein- oder Glasstiften gebaut wird, ohne daß die Möglichkeit besteht, nachträglich das Ganze mit einer anderen Farbe zu übergehen. Die Verwendung des Schwartzlotsbrachte es mit sich, daß man in einem guten Sinn von Glasmalerei sprechen konnte. Leider kamen später auch andere Farben hinzu: das Silbergelb, das Eisenrot, dann nach und nach auch die übrigen Farben, Blau, Violett, Grün, deren einsichtlose Verwendung als Auftragfarbe zu einer allmählichen Trübung und Auflösung der ursprünglichen Technik des Glasfensters führen mußte.

rst die neuere Zeit erlebte eine Wiedererweckung der alten Glasmaltechnik. An dieser großen Aufgabe war der Frankfurter Al. Linnemann entscheidend beteiligt. In der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gehörte er zu dem Kreis geistig hochstehender Männer, die sich in Frankfurt am Main um das Künstlerpaar Philipp Veit und Edward von Steinle scharten.
        Im Verein mit Peter Becker hat Al. Linnemann die Kartons von Edward von Steinle für die Glasfenster des Frankfurter Domes ausgeführt. Auch die dekorative Ausmalung des Domes ist sein Werk. Seither steht die von Al. Linnemann begründete Glaswerkstätte in hohem Ruf. Des Vaters Werk führten die Söhne Rudolf und Otto Linnemann weiter.
        Als Professor Otto Linnemann im Jahre 1931 durch Vermittlung des Stadtarchitekten Petit nach Luxembourg zur Ausschmückung der Herz-Jesu-Pfarrkirche berufen wurde, konnte er bereits auf ein reiches Lebenswerk zurü,ckschauen. Für die Berufung sprach nicht nur der alte Ruf des Hauses Linnemann, sondern vor allem die Doppeleigenschaft des Berufenen als Maler und Glasmaler: als solcher war er immstande, die farbige Gestalltung des Innenraumes als eine Gesamtaufgabe zu überschauen und als ein Gesamtkunstwerk einheitlich durchzuführen.
        Der Innenraum der neuen Pfarrkirche atmet den Geist der altchristlichen Basilika. Das griechische Wort Basilika bedeutet Haus des Königs. Die neue Pfarrkirche will eine Königshalle sein. Alles ist darum hingeordnet auf Christus, den König. Cujus regni non erit finis, dessen Reich kein Ende kennt - so steht über dem alles beherrschenden Chorbild geschrieben. Die weihevolle Stimmung und die ernste Feierlichkeit des Raumes machen es jedem klar, daß hier ein König thront.







er ganze Raum ist ein einziger Aufruf: Adorate Dominum in aula sancta ejus! Fallet nieder vor dem Herrn in seinem Heiligtum. (Ps. 95, 9.)
        Aber dieser Herr ist ein König der Liebe. Die neue Pfarrkirche ist dem Heiligsten Herzen geweiht. Das, was im Chorbild so überirdisch hoch, so erdenfern als Majestas Domini, als Majestät des verklärten und verherrlichten Christus dargestellt ist, soll in den Glasmalereien zu den Menschen herabsteigen und ihnen den Herrn in all seiner Menschenfreundlichkeit und Güte nahe bringen.
        So kam in den Seitenschiff-Fenstern ein einheitlicher Herz-Jesu-Bilderkreis zur Darstellung. Auf blauem Grund erscheint immer wieder der Heiland im Purpurmantel der Liebe. Das herrliche Innenleben seines gottmenschlichen Herzens wird in unvergeßlichen Bildern vor uns ausgebreitet. Cogitatones cordis eius - seines Herzens Sinnen - das ist der Gegenstand, der uns aus den Glasgemälden ansprechen soll. Besonders am Abend, wenn der Raum in die Dämmerung zurücksinkt, bekommen die Fenster eine heimliche Glut. Dann geht von ihnen auf den Betrachter eine feierliche Stille des Andächtigen und des Innerlichen über.
        Daraus dürfen wir schließen, daß auch der Künstler nur mit innerer Ergriffenheit an seine Arbeit gegangen ist.
        Seine Gestalten hat er in die ideale Abgeschlossenheit des blauen Hintergrundes hineingestellt. Daß wir soviel Blau vertragen, kommt wohl daher, daß wir auch in der Wirklichkeit die Dinge und Menschen immer gegen den blauen Himmel sehen. Jedenfalls muß der Glasmaler mit den andern Farben, mit Rot, Gelb, Grün und Weiß viel sparsamer umgehen. Der Mantel des Herrn leuchtet immer in einem tiefen Purpurrot auf. Blau und Rot bilden darum den hervorragenden Farbenakkord.
        Als einzige Malfarbe ist das Schwarzlot zur Verwendung gekommen. Durch das leichte Anschwä,rzen wird das schöne Antikglas zum intensiven Leuchten gebracht..

as die Darstellung betrifft, so fällt auf, daß das Bildhafte stärker betont ist als bei den ältern Glasfenstern. Tatsächlich schließt sich Otto Linnemann mehr der Glasmalerei der Spätzeit an, die das Figurenwerk klar hervortreten läßt.
        Jedes Glasfenster nimmt nur zwei oder drei Figuren auf. Immer ist der Herr dargestellt, wie er die unaussprechlichen Schätze seines Herzens an die verschiedenen Stände und Lebensalter austeilt.
        Die Fenster des linken Seitenschiffes schildern das Verhalten des Herrn zur Frauenwelt: wie er die Mütter mit den Kindern segnet (1. Fenster: der göttliche Kinderfreund); wie er die kluge Jungfrau lobt (2. Fenster: Jesus bei Martha und Maria); wie er die Braut am Hochzeitsmorgen segnet (3. Fenster: Jesus bei der Hochzeit zu Kana); wie er die schmerzgeprüfte Mutter in der Kalvariastunde, wo sie ihr Liebstes opfert, tröstet (4. Fenster: Jesu Mutter unterm Kreuz); wie er seine treue Schülerin am Ostermorgen belohnt (5. Fenster: Jesu erscheint der Maria Magdalena).







ie Fenster des rechten Seitenschiffes stellen Jesus in seinem Verhalten zur Männerwelt dar: wie er den Jungmann am Scheideweg und in der Entscheidungsstunde des Lebens mahnt (1. Fenster: Jesus und der reiche Jüngling); wie er dem reifen Mann das Beispiel der Nächstenliebe gibt (2. Fenster: die Fußwaschung); wie er den Mann im Lebenskampf mit dem Brot des Lebens stärkt (3. Fenster: Jesus reicht Johannes die Kommunion); wie er das Beispiel des Opfertodes gibt (4. Fenster: der Lanzenstich); wie er den Ungläubigen und Zaghaften zum Glauben ermahnt (5. Fenster: Jesus und der ungläubige Thomas).
        Das Fenster der rechten Vorhalle stellt die Schlüsselübergabe dar: Petrus, den Mann des Glaubens.
        Das Fenster der linken Vohalle stellt die Offenbarung der Herz-Jesu-Andacht dar: Maria Alacoque, die Frau der Mystik.